Das Ende des Ersten Weltkriegs. Zeugnisse der Erinnerung in Bayerisch-Schwaben. 29. Arbeitstagung der Historischen Vereine, Heimatvereine und Museen in Schwaben

Das Ende des Ersten Weltkriegs. Zeugnisse der Erinnerung in Bayerisch-Schwaben. 29. Arbeitstagung der Historischen Vereine, Heimatvereine und Museen in Schwaben

Organisatoren
Heimatpflege des Bezirks Schwaben; Historischer Verein für Schwaben in Kooperation mit der Schwabenakademie Irsee
Ort
Irsee
Land
Deutschland
Vom - Bis
26.01.2019 -
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Von
Corinna Malek, Heimatpflege, Augsburg

Die 29. Arbeitstagung der Historischen Vereine, Heimatvereine und Museen in Schwaben beschäftigte sich zum Abschluss der Veranstaltungen zum Ersten Weltkrieg mit der Erinnerungskultur im Medium der Kriegerdenkmäler. Die Tagung, die sich als Austauschplattform für Aktive und Interessierte der Heimatgeschichte versteht, nimmt ein jährlich wechselndes Thema in den Blick, um lokale Forschungsmöglichkeiten und neue Impulse zu vermitteln.

Bevor PETER FASSL (Augsburg) thematisch in die Tagung einleitete, begrüßte MARKWART HERZOG (Irsee) die Anwesenden. Fassl umriss die Tagungsziele, einerseits der angesprochenen Zielgruppe neue Impulse für die eigene Forschung und Beschäftigung mit der Geschichte vor Ort zu geben und andererseits Personen und Institutionen, die neu in der schwäbischen Forschungslandschaft sind, eine Präsentationsplattform zu bieten. Die Auswahl des Themas begründete Fassl damit, eine bis dato wenig beachtete Form der Erinnerungskultur, die dennoch nahezu in jedem Ort und jeder Gemeinde präsent ist, in den Mittelpunkt zu rücken. Für die Kriegerdenkmäler fehle in Schwaben bisher eine flächendeckende Untersuchung, nur für den Landkreis Aichach-Friedberg liegt bis dato eine Dokumentation vor.1 Neben der Frage, wie man mit dem Krieg und der Erinnerung an ihn umging, sollte der Fokus auch auf die gestalterischen Motive der Denkmäler, der damit verbundenen Aussagekraft und Deutung gerichtet werden. Während die Erinnerung an die Kriege des 17. und 18. Jahrhunderts auf Denkmale führender Akteure beschränkt war, wurde erstmals nach den napoleonischen Kriegen auch der gefallenen Soldaten gedacht. Die Kriegerdenkmale für den Krieg 1870/71 sind für Schwaben noch nicht untersucht. Sie standen im Zeichen des Sieges. Die Kriegerdenkmäler nach 1918 wurden in allen Gemeinden errichtet. Die Untersuchung der Ikonographie zeige im ländlichen Raum eine überwiegend religiös begleitete Trauerkultur, doch begegneten auch scharf revisionistische und ambivalente Zeichensetzungen. Zum Frieden mahnende Gestaltungen fehlen. Die Kriegerdenkmäler erfuhren nach 1933, 1945 und in jüngster Zeit jeweils Neuinterpretationen, die zeigen, wie diese in der Erinnerungskultur der jeweiligen Zeit stehen.

Bevor BARBARA STAUDINGER (Augsburg) über ihre Arbeitsschwerpunkte im Jüdischen Museum berichtete, stellte sie vier Ziele voran, die ein Museum heute verfolgen müsse. Das Museum, so Staudinger, sei ein Ort, der politisch, multiperspektivisch, offen und aktuell ist und einem Bildungsauftrag nachkommt. Dabei komme dem Museum die Funktion eines Labors zu, in dem man sich ausprobieren könne, ohne zu hohe Bildungshürden überwinden zu müssen. Anschließend skizzierte sie das Museumsprogramm für 2019, das unter dem Jahresthema „Wie fremd darf man in Deutschland sein?“ steht, während für 2020 das Thema „Feminismus“ angedacht ist.

RUTH SANDNERs (Thierhaupten) Vortrag richtete den Blick auf die bodendenkmalpflegerische Arbeit des Landesamts in Schwaben und erläuterte die Unterschiede zwischen Archäologie und Bodendenkmalpflege. Während die Bodendenkmalpflege Denkmäler kartiere und versuche, sie in ihrem ursprünglichen Zustand am Standort zu bewahren, verfolge die Archäologie eine Sicherungsmethode, die Befunde eines Bodendenkmals auszugraben und zu dokumentieren. Negativer Nebeneffekt sei dabei eine endgültige Zerstörung des Bodendenkmals. Die Bodendenkmalpflege und Archäologie begleitet in Bayern Bauvorhaben an Standorten von Bodendenkmälern, die mit Grabungen und Erdarbeiten verbunden sind. Außerdem erläuterte Sandner, welche Erkenntnisgewinne die Bodendenkmalpflege und Archäologie zur Ergänzung und Verifizierung schriftlicher Quellen bieten. Als Beispiel zog sie Kloster Irsee heran.

OTTMAR SEUFFERT (Donauwörth) eröffnete den Reigen der thematischen Vorträge. Seuffert thematisierte das Kriegsgedenken in Donauwörth. Zunächst gab er einen chronologischen Überblick über die Formen der Erinnerung an Kriegserfahrungen vor der Zäsur des Ersten Weltkriegs, die in ihrer Diktion und Bildsprache gänzlich anders gestaltet gewesen seien. Er verwies auf die dortige Errichtung dreier Kriegerdenkmäler, die von unterschiedlichen Akteuren ausgeführt wurden. Für das städtische Gedenken wurde erst 1923 ein Denkmal realisiert, obwohl die Überlegungen hierzu bereits kurz nach Kriegsende 1919 einsetzten. Gründe dafür waren die allgemeine Not und die inflationsbedingte Teuerung in der Nachkriegszeit. Das aus Spenden finanzierte Denkmal wurde an der Seitenwand der Pfarrkirche „Zu unsrer lieben Frau“ angebracht; hierfür musste ein Seitenportal verschlossen werden. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Denkmal bei der Bombardierung Donauwörths zerstört. Darüber hinaus ging er auf die Gedenktafeln der evangelischen Gemeinde und des städtischen Progymnasiums ein, auf denen jeweils die Namen der Gefallenen eingraviert waren. Beide Tafeln wurden aus privaten Spenden finanziert. In der evangelischen Gemeinde fand die Einweihung bereits 1919 statt, die des Progymnasiums erst 1925. Beide Tafeln wurden ebenfalls im Zweiten Weltkrieg zerstört. Neben den Denkmälern entstanden in Donauwörth Kriegschroniken und Gefallenengedenkbücher, das Gedenken an die Gefallenen wurde außerdem in der lokalen Presse thematisiert.

Welche Problematiken Kriegerdenkmäler heute mit sich bringen und wie eine Umdeutung glücken kann, zeigte HEINZ GERHARDS (Gundelfingen) am Beispiel Gundelfingens. Gerhards skizzierte zunächst die wechselvolle Baugeschichte. Die ursprünglich nach dem Ersten Weltkrieg aufgestellte hölzerne Ehrentafel wurde 1938 durch einen steinernen Ehrentempel ersetzt, der zentral in der Ortsmitte auf Privatgrund errichtet und nach dem Zweiten Weltkrieg weiterhin als Gedenkort genutzt wurde. Diskussionen um den Erhalt entbrannten bereits während der 1960er-Jahre, da die marode Bausubstanz eine Sanierung erforderte. In der jüngsten Zeit brach die Diskussion um die Zukunft des Denkmals erneut auf und entfachte eine Kontroverse um Erhalt, Abriss oder Neugestaltung. Letztlich entschied sich die Stadt unter der Beteiligung der Bürger zur Neugestaltung bei Bewahrung der noch vorhandenen Bausubstanz. Zu diesem Zweck wurden in einem geschlossenen künstlerischen Wettbewerb Entwürfe eingereicht und prämiert. Der Siegerentwurf, der die Entstehung eines Friedenshains zum Ziel hat, deutet das Denkmal in ein Friedensmahnmal um, an dem verschiedenen Opfern von Krieg, Gewalt und Verfolgung gedacht werden soll, wobei anschließend die Tagungsteilnehmer über die Verhältnismäßigkeit des Gedenkens an Opfer der Gewaltherrschaft und gefallener Soldaten am selben Ort debattierten.

Einen Kurzvortrag über die Erinnerungskultur im schwäbisch-tirolerischen Grenzraum hielt KLAUS WANKMILLER (Reutte). Zunächst präsentierte er Denkmäler in Halblech und aus dem Außerfern und wies auf ihre gestalterischen Besonderheiten hin. Der Vergleich zeigte, dass die österreichische und die tirolerische Erinnerungskultur stärker religiös geprägt waren als die deutsche.

Danach stand das Gebiet des ehemaligen Bezirksamts Wertingen im Zentrum, dem vier der sechs Vorträge gewidmet waren. Auf eine Besonderheit Wertingens wies SIMON KOTTER (Bamberg/Bayreuth) hin. Für die Gefallenen der Stadt und die des gesamten Bezirksamtssprengels wurden zwei unterschiedliche Denkmäler errichtet. Beide weisen in ihrer Gestaltung, Ikonographie und Motivauswahl eine ebenso starke christliche Prägung auf, wie ein drittes Denkmal, der Marienbrunnen, der 1911 zur Erinnerung an den Sieg des Krieges von 1870/71 errichtet wurde.

FELIX GUFFLER (Augsburg) trug eine kunsthistorische Analyse des Biberacher Kriegerdenkmals vor, das in Form einer Kapelle errichtet wurde. Anhand der Baugeschichte zeigte Guffler, dass eine bereits bestehende Kapelle, deren Bauzeit nicht datiert werden könne, in ein Denkmal umfunktioniert wurde. Diese Umwidmung sei erst nach dem Zweiten Weltkrieg vorgenommen worden. Das Gedenken gelte den Gefallenen beider Weltkriege, was im Bildprogramm des Deckenfreskos, den Gedenktafeln und einem Mater Dolorosa-Altar zum Ausdruck komme. Ebenso wie die Wertinger Beispiele bezeugten auch die Biberacher einen starken christlichen Einschlag, der den Trauernden eine sinnstiftende Deutung anbot, indem sie dem Kriegstod eine Dimension des Sieges zuschrieb.

Die Ergebnisse für Binswangen und Buttenwiesen präsentierten ANTON KAPFER (Binswangen) und JOHANNES MORDSTEIN (Wertingen). Beide Orte weihten bereits 1920 Kriegerdenkmäler an prominenten Plätzen im Ort ein. Während für Buttenwiesen die Überlieferungslage sehr gut sei, gelte für Binswangen das Gegenteil. Lediglich im Protokollbuch des örtlichen Krieger- und Veteranenvereins konnte Kapfer eine kurze Notiz zur Einweihung finden, jedoch sei noch nicht einmal das genaue Datum bekannt. In Materialität und Gestaltung unterscheiden sich beide Denkmäler ebenso grundlegend wie in der Rezeption heute. Während die Öffentlichkeit das hölzerne Binswanger Kriegerdenkmal weitgehend positiv aufnehme, werde das Buttenwiesener eher kritisch gesehen: Aufgrund seiner prominenten Lage auf dem Marktplatz und der Darstellung eines Soldaten mit Gewehr, kam eine öffentliche Diskussion in Gang, die den Neubau eines Friedensmals in Buttenwiesen nach sich zog. Eine weitere Besonderheit, die beide Orte aufgrund ihrer jüdischen Geschichte aufweisen: das Gedenken an jüdische Kriegsteilnehmer und Gefallene. Für diese wurden in den Synagogen in Binswangen und Buttenwiesen Gedenktafeln angebracht, die heute noch erhalten sind.

Im Anschluss an die Erörterung der Wertinger Beispielen setzten sich RAPHAEL GERHARDT (Günzburg) und DIETER SPINDLER (Babenhausen) mit der Kriegserinnerung in Günzburg und Babenhausen auseinander. In Günzburg weise, so Gerhardt, das Gedenken eine starke religiöse Komponente auf, die sich insbesondere in der Gestaltung der Denkmäler und der Gedenkfeiern ausdrücke. Die Stadt sei ein wesentlicher Akteur gewesen, ohne den die Materialisierung des Gedenkens nicht möglich gewesen sei. Auf ihre Initiative hin war im November 1918 eine Ehrenpforte für die heimkehrenden Soldaten aufgestellt worden. Daneben engagierte sich die Stadt für die zügige Errichtung eines Denkmals im öffentlichen Raum, konnte aber ihre Pläne aufgrund der Zeitumstände erst 1922 realisieren. Zwei weitere Denkmäler, die Gerhardt in seine Analyse mit einbezog, gingen auf private Initiativen des Progymnasiums und des Turnvereins zurück. Deren Gestaltung, so schlussfolgerte er, ließ stark revanchistisch-nationalistische Motive sichtbar werden. Diese wiesen auf einen Sinnstiftungsbedarf hin, der auch vor geschichtsverfälschenden Deutungen nicht zurückschreckte.

Dieter Spindler wiederum widmete sich Babenhausen, das bis zum Ersten Weltkrieg eine zurückhaltende Kultur der Erinnerung an vorangegangene Kriege pflegte. Erst die Zäsur des Ersten Weltkriegs mit seiner Vielzahl von Opfern setzte ein Engagement für eine adäquate Erinnerung und Ehrung der soldatischen Kriegsopfer in Gang, das zunächst, während des Krieges, vor allem von den Kirchengemeinden geleistet wurde. Nach dem Krieg war es wiederum die Gemeinde, die sich für ein öffentliches Gedenken in Gestalt eines Denkmals stark machte. Doch wie bei zahlreichen anderen Beispielen gelang die Realisierung erst lange nach dem Kriegsende, hier 1923.

Am Ende der Veranstaltung zogen die Tagungsleiter das Fazit: Es sei deutlich geworden, wie groß der Forschungsbedarf vor Ort zu diesem bis dato wenig beachteten Thema nach wie vor sei. Ebenso habe sich gezeigt, dass das Gedenken an die beiden Weltkriege einen Wandlungsprozess durchlief. Stand nach dem Ersten Weltkrieg die Ehrung jener, die den Heldentod fürs Vaterland gestorben waren, im Mittelpunkt, so verwandelte es sich nach dem Zweiten Weltkrieg mit seinen Grausamkeiten und Verbrechen zu einem trauernden Gedenken und einer Mahnung für den Frieden. Auch zeigte sich, dass die heutige Kriegserinnerungskultur breit gefächert ist, verbunden mit dem Wunsch, allen Opfergruppen ein würdiges Andenken zu gewähren, um gleichzeitig dafür einzustehen, Gewalt, Krieg und Verfolgung zu verhindern.

Konferenzübersicht:

Markwart Herzog (Schwabenakademie Irsee): Begrüßung

Peter Fassl (Bezirk Schwaben, Heimatpflege): Einführung

Barbara Staudinger (Jüdisches Museum Augsburg-Schwaben): Perspektiven der Museumsarbeit

Ruth Sandner (Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, Thierhaupten): Bodendenkmalpflege und Archäologie in Schwaben

Ottmar Seuffert (Stadtarchiv Donauwörth): Die Kriegerdenkmale in Donauwörth und die Beratungstätigkeit von Hans Lippert

Heinz Gerhards (Stadt Gundelfingen): Die Kriegerdenkmale in Gundelfingen

Klaus Wankmiller (Reutte): Kriegerdenkmäler aus der Gemeinde Halblech und dem Außerfern

Raphael Gerhardt (Archiv und Museum Günzburg): „INVICTIS VICTI VICTURI“ – Akteure, Motive und Formate der Erinnerung an den Ersten Weltkrieg in Günzburg

Simon Kotter (Institut für Fränkische Landesgeschichte der Universitäten Bamberg und Bayreuth): Die Kriegerdenkmale in Wertingen und Umgebung

Felix Guffler (Augsburg): Kriegerdenkmale in Biberbach

Dieter Spindler (Babenhausen): Die Kriegerdenkmale in Babenhausen

Anton Kapfer (Förderkreis Synagoge Binswangen/Dr. Johannes Mordstein, Stadtarchiv Wertingen): Die Kriegerdenkmale in Binswangen und Buttenwiesen

Anmerkung:
1 Berthold Schmitt, Kriegerdenkmäler im Landkreis Aichach-Friedberg, Obergriesbach 2018.


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